Die lose Vortrag- und Disskussionssreihe wurde 2017 als ergänzendes Format der kulturellen Aktivitäten des Bürgervereins Forum Cella Principum e. V. eröffnet. Es geht in dieser Reihe darum, aktuelle Themen im historischen Ambiente der Portenkirche zu präsentieren. Dabei werden solche Vortragstitel ausgewählt, die für die breite Öffentlichkeit von Bedeutung sind.
Den Organisatoren Walter Berchtold und Johann-Bernhard Haversath ist es ein besonderes Anliegen, ein abwechslungsreiches, ansprechendes und zugleich hochkarätiges Programm zu präsentieren. Die jeweiligen Themen sind bewusst weit gestreut und decken ein breites Feld ab, das die Gebiete Kultur, Natur, Gesellschaft mit wechselnden Schwerpunkten in zeitlichen, räumlichen und/oder wirtschaftlichen Zusammenhängen vorstellt.
Als Vortragende werden renommierte Fachleute aus dem näheren und weiteren Umkreis engagiert. Diese haben in der Regel einen beruflichen Bezug zur jeweiligen Thematik und sind durch ihr fachliches Profil als Kenner der Materie ausgewiesen. Wie ein roter Faden zieht sich durch alle Vorträge der Reihe das Bestreben, die komplexen, kontrovers diskutierten und oft schwer zu durchschauenden Themen differenziert und facettenreich darzustellen; einfachen Argumentationsketten soll nicht das Wort geredet werden.
Die Vorträge wenden sich als Zielgruppe an die Bevölkerung von Fürstenzell und den umliegenden Gemeinden. Junge und alte Mitbürger, Kenner und Laien, Spezialisten und Neugierige, kurz: alle Interessierten sind zu den Terminen herzlich eingeladen.
31. Msgr. Dr. Bernhard Kirchgessner (Passau): 1000 Jahre Zisterzienser (7.6.2023)
Wer die Zisterzienser und ihre rasante Ausbreitung im Europa des 12. und 13. Jahrhunderts verstehen will, der kommt an der Gestalt des Hl. Bernhard von Clairvaux (1090-1153) nicht vorbei. Zwar war er nicht der Ordensgründer, doch jene geistliche Gestalt von Format, die den Zisterzienserorden bis heute prägt und ihm enormen Auftrieb verlieh. Ausgehend von diesem Mönch, der das Abendland lenkte, richtet sich der Fokus des Vortrags auf die Anfänge der Zisterzienser, ihr Proprium im Konzert der vielen Orden und seine Ausbreitung, die 1274 von Morimond über Ebrach zur Gründung des Klosters von Fürstenzell führte und den Ort bis heute nachhaltig prägt.
30. Dr. Peter Reindl (Fürstenzell): Eine modere Wunderkammer. Eine Annäherung. (24.5.2023)
Wunderkammern waren vor langer Zeit bei vielen Herrschenden von großem Interesse ... und in der Folge dann auch bei betuchten Handelsfamilien. So entstanden prächtige Sammlungen auf höchstem künstlerischem Niveau und mit skurrilen Präsentationen von Menschen, Tieren und Gegenständen. Es sei in diesem Zusammenhang nur an die Sammlung auf Schloss Amras in Innsbruck und im Kunsthistorischen Museum in Wien erinnert.
Im Laufe der Jahrhunderte schwand jedoch bei fortschreitendem gesellschaftlichen Wandel das Interesse an diesen speziellen Sammlungen. Heute blicken wir daher mit einer anderen Einstellung auf die Fülle von hochinteressanten und brisanten Themen aus den letzten 100 Jahren zurück.
Aber wir müssen auch in die Zukunft vorausdenken: Welchen Platz können Wunderkammern zukünftig einnehmen? Welche Wunderkammern verdienen es, als Spiegel zurück und voraus bewahrt und gepflegt zu werden? Welchen sinnvollen Platz können sie in unserer Gesellschaft einnehmen?
29. Klaus Rose (Vilshofen): Nachbar Ortenburg. Wie es vor 900 Jahren begann. (12.4.2023)
Zu Beginn des 12. Jahrhunderts setzte das Ringen um das Herrschaftsgebiet der Grafen von Vornbach durch die Grafen von Spanheim ein. Diese nannten sich im Unteren Rottal bald nach ihrer neuen Burg 'Ortenberch'. Wer waren die Spanheimer? Warum bekamen sie eine neue Stammburg an der Wolfach? Wer waren ihre wichtigsten Vasallen in der Umgebung der 1274 gegründeten Zisterze 'Zell'? Die Klostergründungen im Hochmittelalter, was war der Anlass? Was hat es mit der Reichsgrafschaft Ortenburg auf sich?
28. Heinrich Oberreuter (Passau): Zeitenwenden? (8.3.2023)
Gibt es in unserer Erfahrungswelt nur die eine Zeitenwende? Und war der Überfall auf die Ukraine wirklich eine so dramatisch überraschende? Oder hat nur geschlafen, wer danach in einer anderen Welt aufgewacht ist? Gab es in der Zeit, die das Leben der Bundesrepublik umspannt, nicht auch dramatische Wendezeiten, ja verdankt sie nicht sogar ihre Existenz einer solchen? Wäre es nicht der dramatischste Wandel, gelänge es nicht, die Kontinuität dieser Wende zur Demokratie in Freiheit und Recht unwandelbar zu sichern - nach innen wie nach außen?
27. Franz Hölzl (Fürstenzell): Gold und Silber lieb' ich sehr, kann's auch gut gebrauchen! (8.2.2023)
Geld, aber auch Gold allein machen nicht unbedingt glücklich – aber wenn man daran keinen Mangel leidet, beruhigt es doch ungemein ... sagt wenigstens der Volksmund.
Im Vortrag soll es darum gehen, welchen Stellenwert Gold und ggf. andere Edelmetalle für einen langfristigen Vermögensaufbau haben können. Dazu werden zunächst die Unterschiede verschiedener Asset-Klassen kurz angerissen und deren spezifische Vor- und Nachteile für den langfristigen Vermögensaufbau dargelegt. Im Hauptteil sollen Edelmetalle, insbesondere Gold, unter dem Aspekt der Eignung zur Vermögensbildung und deren spezifische Vor- und Nachteile dargelegt werden. Ziel ist es, hinterfragen zu können, ob die eigenen Ziele mit dem aktuellen Anlageverhalten in Einklang stehen.
26. Richard Drexl (Kaufbeuren): Europa nach der Zeitenwende. Der Krieg um die Ukraine und die Folgen (12.10.2022)
Seit dem Angriff Russlands ist es nicht mehr zu übersehen: Ein Land auf einem Kontinent ohne funktionierende Verteidigung wird zum Spielball in der Weltpolitik. Was aber ist zu tun, damit wir wieder zu einer Armee kommen, die den Aufgaben der Bündnis- und Landesverteidigung gewachsen ist? Wo liegen systematische Defizite, welche Fehlentwicklungen sind abzustellen?
Nach Meinung des Vortragenden ist es jedenfalls mit 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr nicht getan. Es geht um eine ganze Reihe von Baustellen, um Fragen und um konkrete Vorschläge, die zur Diskussion anregen sollen.
25. Werner Gamerith (Passau): This Land is Your Land, This Land is My Land ...? Ethnische Fragmentierung in den USA (28.09.2022)
Hat Amerika den Glauben an die Einheit seiner Gesellschaft restlos verloren? Ist sogar die Überzeugung der Chancengleichheit purem Individualismus gewichen? Die USA geben viel auf ihre Tradition einer mit den großen Erzählungen ihrer Nation vertrauten Gesellschaft, deren gedachte und inspirierte Einheit ganz prominent im Motto des Staates (e pluribus unum) verankert ist. Um diesen gesellschaftlichen Einklang war es jedoch schon einmal besser bestellt und durch Amerikas Bevölkerung ziehen sich heute markante Furchen und breite Brüche, von deren politischer Lösung man weiter denn je entfernt zu sein scheint.
So bleibt der Traum der Chancengleichheit ein leerer Traum und eine nackte Konzeption, die selbst in den Anfangsjahren des sozialen Experiments USA wenig mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit in den unerbittlichen Städten und der erbarmungslosen ‚Wildnis‘ zu tun hatte. Auch mehr als zwei Jahrhunderte nach der Unabhängigkeit ist die Spaltung Amerikas nicht überwunden worden und steuert – im Gegenteil – auf stets neue Höhepunkte zu. Auf der Basis der aktuellen ethnischen und kulturellen Strukturen zeigt der Vortrag, wie scheinbar unumstößlich die USA auch in Traditionen der Ungleichheit verankert sind.
24. Florian Hartleb (Tallinn): Deutschland im Zangengriff der Extreme? (13. Juli 2022)
Joachim Herrmann, der bayerische Innenminister, beklagte im April 2022 eine zunehmende Aggressivität von Extremisten aller Art. Hass und Hetze hätten vergangenes Jahr ein bislang nicht gekanntes Ausmaß erreicht - im Netz, auf der Straße und bis hinein ins private Umfeld, so der CSU-Politiker bei der Vorstellung des neuen Verfassungsschutzes.
Nach dem Siegeszug der liberalen Demokratie und der Euphorie um die Einheit Deutschlands hat sich also drei Jahrzente später Ernüchterung eingestellt. Extremisten - rechts, links und islamistisch - sind im Aufwind, kultivieren Verschwörungstheorien und so genannte Fake News. Neue soziale Bewegungen (Reichsbürger, Identitäre, QAnon und 'Querdenker') haben sich gebildet, die in Zeiten der Corona-Pandemie und des russischen Angriffskriegs (Pro-Putin-Demonstrationen in Deutschland) noch weiteren Zulauf bekommen haben. Der Referent analysiert den Status quo und präsentiert Vorschläge, wie sich dieser Herausforderung mitten in einem 'Informationsoverkill' begegnen lässt.
23. Karl Möseneder (Passau): Die Klosterbibliothek in Fürstenzell. Alte Schätze neu betrachtet. (22. Juni 2022)
Nach 1770 wurde im Ostflügel des Zisterzienserklosters Fürstenzell ein Bibliothekssaal eingerichtet. Seit im 19. Jahrhundert das Deckengemälde von Matthäus Günther und Johann Jakob Zeiler verschwand, gründet sein überregionaler Ruhm allein in der Ausstattung des Schrankwerks mit der umlaufenden Galerie. Diese architektonische Elemente sind mit ornamentalen Rocaillen, plastischen Hermen als Stützen und dekorativen Vasen, die Sinnverweise senden, besetzt. Das Hauptaugenmerk ziehen indes die Putten von der Hand Joseph Deutschmanns auf sich.
Sie zeigen auf witzige Weise die Sachgebiete an und kommentieren sie gleichzeitig auf ironische Weise. Die Fürstenzeller Bibliothek ist ein Hauptwerk des Spätbarocks in Bayern.
22. Ingrid Kölbl (Passau): Geflüster aus Ecuador. Bilderreiche Reisegeschichten mit Musik. (15. Mai 2022)
Zwischen Kolumbien und Peru liegt eines der vielfältigsten Länder Südamerikas: Ecuador. Klimatisch bietet der kleine Andenstaat am Äquator alle vier Jahreszeiten zugleich: tropisch feuchtes Klima im Amazonasgebiet, stets schneebedeckte Gipfel und Gletscher entlang der sagenumwobenen Straße der Vulkane, heiße Sommer an den Küsten, frühlingshaften Temperaturen in den leicht höher gelegenen Regionen. Die kulturelle und ethnische Vielfalt des Landes ist überwältigend. Ein Spaziergang durch die Hauptstadt Quito lässt einen schnell verstehen, warum auch die UNESCO den bestens erhaltenen Stadtkern zum Weltkulturerbe erklärt hat.
21. Ulrich Pietrusky (Passau): Dr. Johann Evangelist Kappel (1886 – 1975), der
„Adalbert Stifter der niederbayerischen Landschaftsmalerei“: verkannt,
vergessen und wiederentdeckt! (6. April 2022)
Der Priester der Diözese Passau, der promovierte Kunsthistoriker und vielfach ausgezeichnete akademische Maler Johann Ev. Kappel war ein zu Lebzeiten hoch geschätzter Künstler. Aus berufenem Munde als ‚Senior der Kunstmaler Niederbayerns‘ tituliert, verbrachte der stets bescheidene und stille Vilshofener weitgehend unbeachtet die meiste Zeit seines Lebens in der Gemeinde Aldersbach. Das Vilstal von Walchsing (heute Gemeinde Aldersbach) lieferte ihm zahllose Motive für seine Landschaftsgemälde. Wie sich noch zeigen sollte, wurde die Charakterisierung als ‚Vilstalmaler‘ seinem umfassenden Wirken in keiner Weise gerecht. Nach seinem Tod wurde es noch stiller um ihn, sein künstlerisches Werk galt als verschollen. Ein Zufall führte ab Herbst 2019 zu einer überraschenden Wiederentdeckung. Eine intensive Forschung förderte nicht nur einen einmaligen künstlerischen Nachlass von enormer Breite, sondern auch das vollständige Abbild einer außergewöhnlichen Vita des‚ feinsinnigen Priester-Malers‘ zutage. Der reich illustrierte Vortrag nimmt die Zuhörer mit auf eine spannende Entdeckungsreise und gewährt erstmalig tiefen Einblick in eine – zu Unrecht vergessene – ganz große Künstlerpersönlichkeit der Region.
20. Johann-Bernhard Haversath (Fürstenzell): Südost-Europa verstehen! Von Novi Sad bis Tschernowitz – Fragen über Fragen (09. März 2022)
Novi Sad in Serbien ist eine der drei Kulturhauptstädte Europas für das Jahr 2022. Wie kommt eine Stadt, die außerhalb der Europäischen Union liegt, zu diesem anspruchsvollen Titel, während das legendäre Tschernowitz in der westlichen Ukraïne leer ausgeht? Die Situation ist unübersichtlich. Südost-Europa, wie auch immer man es abgrenzt, war und ist schwer zu verstehen. Es hat eine spezifische historische Entwicklung hinter sich. Besonders in Teilen des ehemaligen Jugo-slawiens ist nach den Kriegen der 1990er Jahren noch keine Stabilität eingekehrt.
Ähnlich ist es in der Ukraïne, die seit Jahren destabilisiert wird, oder in Moldawien, was allerdings nur selten in die Presse gelangt. Allein Rumänien präsentiert sich – trotz aller Probleme – als ein Land mit relativer Stabilität und Verlässlichkeit.
Stimmt das oder trügt der Schein? Auf jeden Fall lohnt es sich, die
angesprochenen Länder und ihre Bewohner in den Blick zu nehmen und die eigene Einschätzung immer wieder zu überprüfen.
19. Patrizia Pappacena (Wien): Sechs Kanzler in fünf Jahren? Was ist los beim
kleinen Nachbarn Österreich? (16. Februar 2022)
Mit 24 der jüngste Staatssekretär der österreichischen Geschichte, mit 30 der jüngste Regierungschef Europas, mit 35 bereits zum zweiten Mal aus dem Amt geflogen: Nach 10 Jahren unaufhaltsamen Aufstiegs der tiefe Fall. Einst als konservativer Messias auch außerhalb Österreichs gefeiert, drohen Sebastian Kurz nun Gerichtsverfahren, sogar Gefängnis.
Was ist da passiert? Warum konnte ein derart junger Mann die altehrwürdige sich als Staatspartei definierende ÖVP im Handstreich nehmen und die österreichische Politik innerhalb kurzer Zeit ordentlich umkrempeln? Was machte ihn für viele Menschen so attraktiv und warum steht er nach nur wenigen Jahren vor den Trümmern seiner politischen Karriere? Antworten auf viele dieser Fragen versucht Patrizia Pappacena, viele Jahre selbst in der österreichischen Politik tätig, zu geben.
18. Klaus Rose (Vilshofen): 150 Jahre 1870/71 - Bayerns Weg ins Deutsche Reich
(10. November 2021)
Vor 150 Jahren wurde der deutsche Nationalstaat geboren und das Königreich Bayern seiner stolzen Eigenständigkeit beraubt. Es war die Zeit des Märchenkönigs Ludwig II. und des Reichskanzlers Otto von Bismarck.
Da bayerische Soldaten an der Seite der Preußen gegen die Franzosen anfangs September 1870 bei Sedan einen entscheidenden Beitrag zum Sieg leisteten, wurde der Sedantag nach der Gründung des Deutschen Reichs im Januar 1871 nicht bloß erster deutscher Nationalfeiertag, sondern auch in den kleinsten Dörfern Bayerns gefeiert. Gar manches Kriegerdenkmal im Passauer Land erinnert noch heute an jene Zeiten. Wegen der späteren Weltkriege und Revolutionen veränderte sich aber das Geschichtsbewusstsein. Der genauere Blick in die damaligen Ereignisse gewährt vor allem dem Bayernfreund vertiefte Erkenntnisse.
17. Jürgen Eichinger (München): Der Natur eine Stimme verleihen. Aus der Arbeit eines Filmemachers (20. Oktober 2021)
Haben Sie sich schon mal gefragt, wie einer dieser aufwändigen Naturfilme entsteht, die fast allabendlich – und wie selbstverständlich – über unsere Bildschirme flimmern? Wie schafft es eigentlich der Filmemacher, die spektakulären Aufnahmen von Tieren und Landschaften auf Zelluloid zu bannen? Warum braucht es im Vergleich zu Tierdokus aus fernen Ländern viel mehr Aufwand, bis ein Film über die heimische Natur im Kasten ist? Wo genau liegen die Unterschiede und Schwierigkeiten?
Der vielfach preisgekrönte Filmemacher Jürgen Eichinger berichtet genau hierüber in der Portenkirche. Mit eindrucksvollen Bildern und Videos ermöglicht er einen Blick hinter die Kulissen der Entstehung von Naturfilmen. Im making off wird er auch das eine oder andere handwerkliche Geheimnis preisgeben.
16. Herbert W. Wurster (Sandbach): Die Juden in Ostbayern. Schicksale zwischen Integration und Diskriminierung, Verfolgung, Vernichtung. Vom 9. bis zum 21. Jahrhundert (6. Oktober 2021)
Im 9. Jahrhundert tauchten erstmals Juden in Ostbayern in den Quellen auf, aber erst um 1200 begann die dauernde Niederlassung von Juden. Passau wird das Zentrum für das östliche Niederbayern. 1478 endete diese Epoche grauenvoll – die Passauer jüdische Bevölkerung wurde ausgerottet und vertrieben. Ab dem späten 18. Jahrhundert kamen fränkische, pfälzische und österreichische Juden wieder hierher und integrierten sich mit der Beibehaltung ihrer Religion und ihres Zusammenlebens; ein Teil gab seine traditionelle Identität auf und verschmolz allmählich. Die sehr kleine jüdische Minderheit in Niederbayern wurde durch die Nazis verfolgt und dann im Holocaust ausgelöscht. Heute ist das niederbayerische Zentrum für die Juden die Jüdische Gemeinde Straubing.
15. Wolfgang Reimann (Regensburg), Silke und Sebastian Schroth (Fürstenzell/München): Die Wasserheilkunde des Johann Schroth. Vom schlesischen Nieder Lindewiese nach Bad Pilzweg (22. September 2021)
Trink- und Badekuren sind seit unvordenklicher Zeit bekannt. Die eigentlichen Begründer der modernen Wasserheilkunde sind Johann Schroth und Vincenz Prießnitz, Sebastian Kneipp folgte später, war aber umso erfolgreicher.
Wer war Johann Schroth? Was war das revolutionäre an seiner Therapie? Was ist aus seiner Idee geworden, was aus seiner weitverzweigten Familie? Die Spurensuche führt bis nach Bad Pilzweg in der Marktgemeinde Fürstenzell. Eine Familiensaga wie bei den Buddenbrooks von Thomas Mann, sie ist zugleich ein Spiegel der jüngeren deutschen Geschichte.
14. Edel Maria Göpfert (Vilshofen): Kunst entsteht – Ein Blick hinter die Kulissen
(8. September 2021)
Geburt einer Bronze: Selten sind die Künstler, die sich dem Bronzeguss aus der verlorenen Wachsform zuwenden. Eine davon ist Edel Maria Göpfert.
Die Geburt einer Bronze erfordert viele Arbeitsgänge und seit der Bronzezeit – vor ca. 4000 Jahren – hat sich nichts Wesentliches verändert:
Durch das Formen der Skulptur aus Wachs entsteht ohne Zwischenschritt die Gussform und schafft die eigene Durchbildung und Ausführung der Linien, Formen und Oberflächen, die sich nach dem Guss in dem edlen Metall in nicht wiederholbarer Weise ausdrücken. Dazu braucht es handwerkliches Können ebenso wie leidenschaftliche künstlerische Arbeitskraft und unbezähmbaren Gestaltungswillen. Ein spannender Prozess, der die Bildhauerin seit über 30 Jahren freiberuflicher Tätigkeit begleitet, sich wiederholt und dennoch jedes Mal einzigartig und einmalig ist.
13. Günther Moosbauer (Straubing/München): Zwischen Donau und Inn: Ostbayern im Zeichen der römischen Herrschaft (21. Juli 2021)
Im 1. Jahrhundert n. Chr. erreichen römische Truppen zum ersten Mal Ostbayern. Es folgt ab der 2. Hälfte des 1. Jahrhunderts der Ausbau mit Militärlagern. Um die dort stationierten Truppen mit Lebensmitteln und Waren versorgen zu können, ist eine ausgebaute Infrastruktur notwendig: Straßen und Häfen. Darüber hinaus wird das flache Land mit Siedlungen, d.h. Gutshöfen, erschlossen, die vor Ort zur Versorgung mit Agrarprodukten dienten. Darüber hinaus entstanden kleinere Dörfer an den Hauptverkehrsrouten, in denen Handwerker tätig waren.
Im Lauf der Jahrhunderte war diese Siedlungslandschaft wechselnden innen- und außenpolitischen Bedrohungen ausgesetzt. Das veränderte bis zu ihrem Ende im späten 5. Jahrhundert n. Chr. immer wieder ihr Gesicht.
12. Ina Voshage (Passau): No Worries? No Way! Australiens Umgang mit internationalen Bootsflüchtlingen (7. Juli 2021)
„Stoppt die Boote!“ Australiens Premierminister Tony Abbott hielt sein Wahlversprechen von 2013, indem er in den Folgejahren seiner Wahl die australischen Außengrenzen mit Hilfe der Operation Sovereign Borders für Bootsflüchtlinge unerreichbar machte. Dieses Vorgehen war Teil der Pacific Solution – einer politischen Strategie, die dazu führte, dass Australiens Rolle im Kontext internationaler Migrationsbewegungen kontrovers diskutiert wurde, und deren Hintergründe und Auswirkungen dieser Vortrag thematisiert.
11. Franz Meyer (Vilshofen): Politik in schwierigem Fahrwasser. Zwischen Flüchtlingswelle, Klimawandel und Corona-Pandemie (30. Juni 2021)
Politik ist die Kunst des Machbaren. Was in guten oder schlechten Zeiten machbar war, zeigt uns der Blick in die Geschichtsbücher. Was aber in der Gegenwart machbar ist, darüber streiten sich die Geister.
Es kann also als Normalfall gelten, dass sich Politik in schwierigem Fahrwasser bewegt. Kommen aber so komplexe Phänomene wie weltweite Migrationsströme, galoppierende klimatische Wandlungen und Pandemiewellen zusammen, dann ist das Fahrwasser nicht nur schwierig, sondern geradezu turbulent. Hier greifen einfache Rezepte nicht mehr, jetzt kommt es auf Umsicht, auf Voraussicht, auf Weitsicht an – auf allen politischen und gesellschaftlichen Ebenen ... und zwar nicht irgendwo in der Ferne, sondern direkt bei uns vor der Haustür.
Zu betonen ist: Unsere Gesellschaft braucht Mitmenschen, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.
Zu dieser Gruppe gehört der Gesprächsparner dieses Abends, der seinen politischen Lebensweg aufzeigen wird.
10. Heinrich Oberreuter (Passau): Die Demokratie – ein „Wagnis des Vertrauens“? (16.9.2020)
Ist Vertrauen nicht ein zu hoher Begriff für Politisches? Was misst die Demoskopie, wenn sie angibt, Vertrauen zu messen? Geht es inzwischen nicht sogar in klassischen Demokratien verloren? Oder gibt es Situationen, in denen es auf überraschende Weise wiederersteht? Und ist es nicht zu begrüßen, wenn Vertrauen nicht blind ist – gerade in der Politik, die nicht sich selbst, sondern dem Gemeinwohl dienen soll? Aktuelle Antworten sind gefragt.
9. Andreas Dittmann (Gießen): Libyen zwischen Erdöl, Wüste und Arabellion. Geofaktoren eines nordafrikanischen Failed State (12.3.2020)
Eigentlich hatte Libyen von allen sechs Ländern, die 2011 den Ausbruch der so genannten Arabellion erlebten, die vergleichsweise besten Entwicklungs-voraussetzungen: Das reichste Land in Afrika und eines der reichsten in der gesamten MENA-Region, eine geringe zu versorgende Gesamtbevölkerung und nach dem Scheitern des Ghaddafi-Regimes einen starken Aufbruch- und Veränderungswillen. Doch es kam anders. Libyen erfüllt heute alle Charakteristika eines Failed State. Der Vortrag erklärt, wie es zu den Entwicklungen zum heutigen
Zustand kam, beschreibt die prägenden Geofaktoren und analysiert Libyens Rolle als Drehscheibe der internationalen, illegalisierten Migration nach Europa. Dabei wird betont, dass der so genannte Westen derzeit in Libyen eigentlich auf die falschen Partner setzt und die sonst hochgehaltenen Werte von Humanität und Demokratisierung auf dem Altar einer kurzsichtigen Abschottungspolitik opfert.
Die Wirtschaftsmacht Deutschland ist noch nicht in der digitalen Welt angekommen. Auch in Bayern tut man sich schwer, etwa bei der digitalen Infrastruktur in den Kommunen. Dabei gibt es die digitale Zukunft Europas längst – wir müssen nur über die Grenzen schauen. Das kleine Estland ist ein Labor in Sachen IT und E-Government, also der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung, Deutschland um Längen voraus. Vor weniger als drei Jahrzehnten war Estland noch eine Sowjetrepublik. Nach der Unabhängigkeit musste das Land allein durch den schmerzhaften Prozess der Transformation. Heute ist die baltische Republik mit nur 1,3 Millionen Einwohnern digitaler Trendsetter. Zahlreiche Delegationen aus Bayern machen sich ein Bild vor Ort. Estland gilt als das, was der Wallfahrtsort Lourdes für Katholiken ist, wie das Magazin „Der Spiegel“ vor wenigen Monaten schrieb.
Bergwanderführerin Katja Döring – praktizierende Buddhistin – ist regelmäßig auf selbstorganisierten Trekkingtouren in verschiedenen Teilen der Erde unterwegs. Seit Jahren ist sie in wiederkehrenden Touren in Nepal und im Ladakh, im Umkreis des zentralafrikanischen Kilimandscharo und in Südamerika per pedes unterwegs. Seit dem großen Erdbeben 2015 hilft sie den Menschen in Nepal mit einem eigenen Hilfsprojekt mit Schwerpunkt im Khumbugebiet.
Aufgewachsen im Spessart, ist sie in den Hochgebirgen der Welt zu Hause, sie präsentiert im Vortrag die Besonderheiten Himalayas und seiner Bewohner.
Die Digitalisierung unseres Alltags ist das große Leitthema der Gegenwart. Mit ihm werden positive Entwicklungen wie die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, neue Bildungszugänge, ein Wachstum an Effizienz und individuellem Lebenskomfort verknüpft. In der allgemeinen Euphorie um die neuen Chancen gerät jedoch aus dem Blick, was die Inanspruchnahme digitaler Dienste von uns gleichzeitig verlangt. In zahlreichen Alltagssituationen sind wir gezwungen private Daten preiszugeben. Deren ökonomische Verwertung kann unsere Handlungsmöglichkeiten massiv einschränken und die gewonnenen Optionen letztlich ins Gegenteil verkehren.
Das Gefühl, die Demokratie befinde sich nach der Wende 1989/90 auf der ganzen Welt auf einem unerschütterlichen Siegeszug, ist verflogen. Im Gegenteil steht sie vor neuen Herausforderungen, die ihre Wertorientierungen erschüttern und ihre Institutionen angreifen - weltweit, auch in Europa. Vertrauen schwindet, in Verunsicherungen wächst die Attraktivität einfacher und autoritärer Gewissheitsangebote. Was ist dagegen unverzichtbar? Erstaunlich, wie aktuell die Antworten sind, die sich im gerade 70 Jahre alt werdenden Grundgesetz finden.
Als der Revolutionär Kurt Eisner am 8. November 1918 den Freistaat Bayern proklamierte, konnte er noch nicht ahnen, dass diesen ab den 1960er Jahren allein die CSU für sich reklamieren sollte. Auch im Rahmen der Ausstellung der Hanns-Seidel-Stiftung über den Freistaat Bayern im Jahr 1976 fiel der Name Eisner kein einziges Mal. Erst in den letzten Jahren zeichnete sich eine Veränderung des erinnerungspolitischen Diskurses ab, der wiederum in engstem Zusammenhang mit der Neubewertung der historischen Rolle Eisners steht. Vor diesem Hintergrund zeichnet der Vortrag die Metamorphosen der bayerischen Freistaats-Idee sowie ihrer geschichtspolitischen Hintergründe während der letzten 100 Jahre nach.
Verantwortungsvolle Agrarpolitik ist eine gesamteuropäische Aufgabe und kann nur gemeinschaftlich gelöst werden. Es darf nicht vergessen werden, dass ohne Unterstützung der EU viele Landwirte ihren Betrieb nicht aufrecht erhalten könnten. Agrarpolitik ist fraglos ein Thema, das uns alle angehen muss. Neben ökonomischen und ökologischen Aspekten ist es auch Aufgabe der Agrarpolitik, das Leben auf dem Land lebenswert zu gestalten und den ländlichen Raum als Kulturlandschaft zu erhalten.
Nach Jahren der Krise und sich überschlagenden Meldungen über wirtschaftliche und soziale Katastrophen ist ein Ende der Abwärtsspirale nicht in Sicht. Doch es gibt auch andere Bewertungen; das Motto der zeitgenössischen Kunstausstellung „documenta 14“ lautet ‚Von Athen lernen‘. Wenn man solche Anregungen ernst nimmt, die historischen und räumlichen Spezifika des Landes kennt und auch die Menschen ernst nimmt, dann bleibt nach wirtschaftlichem Niedergang und politischen Desaster Vieles, das der genaueren Betrachtung wert ist und Vorbildfunktion hat.
Was ist mit unseren westlichen Demokratien momentan eigentlich los? Ist der US-Präsident Donald Trump ein Vorbote für Europa? Warum schlägt die Stunde der Vereinfacher im Zuge von Flüchtlingskrise, Terrorismus und Brexit derzeit so laut und schrill? Fest steht: Die jüngsten politischen Entwicklungen machen demokratischen Multiplikatoren große Sorgen.